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MEGA BOG "END OF EVERYTHING": NEUBEGINN

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Zwei Fotos in einem schulischen Geschichtsbuch sind dem Autor dieser Zeilen in Erinnerung geblieben. Es handelte sich um Aufnahmen des alltäglichen Lebens in einer zerbombten deutschen Großstadt nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf dem einen war eine Familie zu sehen, die in einer Hochhausruine mit fehlender Wand am Mittagstisch saß, so dass der Betrachter wie ein Theaterzuschauer auf diese Szenerie blicken konnte. Das andere zeigte eine feierliche Gesellschaft, die einem provisorisch organisierten Tanzabend in einem ebenfalls zerschossenen Gebäude beiwohnte.

Letztgenanntes Lichtbild fängt auch gut die Stimmung von "End Of Everything" von Mega Bog ein. Sängerin und Mastermind Erin Birgy reizt die Diskrepanz aus hitverdächtigen, wohlfeilen Synthie-Pop-Songs und düsteren Gedanken dieses Mal ziemlich aus. Wie es auch der Titel "End Of Everything" andeutet, betreibt Mega Bog stilistisches tabula rasa. Waren ihre Songs früher kunstvoll verschachtelte Zusammenführungen aus Indie-Folk, Psy-Rock und Jazz, dürfen nun Synthesizer jeglicher Couleur die Plätze einnehmen.

Die musikalische 180-Grad-Drehung resultiert aus dem Wunsch der Künstlerin, sich der negativen Spirale zumindest musikalisch zu entziehen. Denn Birgy fühlt sich, ähnlich wie bei den genannten Fotos, umgeben von Ruinen - mataphorischen und realen. Nicht nur die Pandemie setzte ihr zu; als Einwohnerin von Los Angeles hatte sie die bei ihr heftig wütenden Waldbrände hautnah miterlebt. All das verfinsterte ihre ohnehin schon trüben Gedanken einmal mehr. Das ist in ihren fiebrigen Texten, natürlich verklausuliert, immer noch anzuhören.

Doch sie wollte sich nicht mehr hinter vertrackter Musik verstecken, wie sie es selbst auf ihrer Bandcamp-Seite erklärte. Orientiert am Italo-Disco und dem New Romantic, aber auch im Hinblick auf die scheinbar glückliche Euro-Dance-Zeit (Birgy nennt Coronas "Rhythm Of The Night" und Haddaways "What Is Love?" als Bezugspunkte), positioniert sich Mega Bog in Richtung Hits. Besonders in der ersten Hälfte von "End Of Everything" wird diese fast schon zwanghafte Leichtigkeit deutlich. "Cactus People", das Austin Jackson Cover "Love Is", das elegante, an Ultravox erinnernde "Don't Doom Me Now" und die marschierende Hymne "All And Everything" könnten alle als Singleauskopplung reüssieren. Geschehen ist dies bereits bei "The Clown", was nicht verwundert, hat Mega Bog hier wirklich die perfekte Balance aus Eingängigkeit und Anspruch gefunden. Mit diesem Song bewegt sie sich in die Nähe von Austra, die es sich ebenfalls in einem elektrifizierten Art-Pop gemütlich gemacht haben.

Dass Erin Birgy natürlich nicht ganz aus ihrer Haut kann, ist am Ende des Albums deutlich. Das "Complete Book Of Roses" driftet noch einmal ins Psychedelische und schafft einen letzten Blick zurück auf den bislang zurückgelegten Weg einer Künstlerin, die man im besten Sinne als unbequem bezeichnen kann. Schließlich ist "End Of Everything" eine Piano-Ballade, die sich im Mittelteil in einen jubilierend-sakralen Synthiesong verwandelt und für Gänsehaut am ganzen Körper sorgt. Der Song verschränkt Ende und Neuanfang. Während ihr Gesang noch das Gewesene beweint, stößt die Musik eine neue Tür auf, in die Mega Bog nun durchgehen.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 30.05.23 | KONTAKT | WEITER: ALPHAVOX VS. NEAR EARTH ORBIT>

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COVER © MEXIVAN SUMMER/MEMBRAN

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