TORUL "SUPERPOSITION": EIGENE REGELN
Kling & Klang > REVIEWS TONTRÄGER > T > TORUL

Der Titel ist eingefleischten Naturwissenschaftlern und Physiknerds sicherlich ein Begriff. Wir zitieren Wikipedia: "Unter Superposition versteht man in der klassischen Physik eine Addition gleicher physikalischer Größen gemäß den Regeln einer Superposition in der Mathematik. In der Quantenmechanik bezeichnet dies einen Zustand, der eine Kombination mehrerer Wellenfunktionen darstellt." Klar, oder? Bevor der Knoten im Hirn zu sehr festgezurrt wird, brechen wir diesen Begriff auf das Album runter. Sehen wir die "Kombination mehrerer Wellenfunktionen" einfach als Beschreibung für den Torul-Sound und schon wird ein Schuh daraus.
Denn der kreative Kopf, der bereits 2003 als Torul W mit seiner ersten Single "Waterproof Theme" (damals noch auf dem Technolabel Low Spirit veröffentlicht) erste Achtungserfolge feiern konnte, ist ein Suchender. Die Objekte seiner Begierde: elektronische Sounds, die es noch nicht in dieser Form zu hören gab. Deswegen klingt jedes Album immer wieder etwas anders. Nach dem in Eigenproduktion veröffentlichten "Dark Matters" in 2010 wechselte er zum Label Infacted Recordings. Die Single "Try" wurde zu einem ersten großen Clubhit in der Schwarzen Szene, das dazugehörige Album "In Whole" definierte den musikalischen Kosmos von Torul weiter.
Das Ende der Fahnenstange war aber noch lange nicht erreicht. Mit jedem weiteren Release, darunter solchen Prachtstücken wie "Hikikomori" und das zuletzt veröffentlichte, unter dem Eindruck der Pandemie entstandene "End Less Dreams", ließen keinen Zweifel darüber, dass Torul nur nach seinen eigenen Regeln spielt. Denn nach dem eher introspektiven Vorgänger, wird nun in "Superposition" die große Geste zum Stilprinzip erhoben und darum zehn Songs präsentiert, die sich in erster Linie nicht dafür schämen, die Tanzfläche fest im Blick zu haben.
Dass gleich der Opener "A Day Of Slade" eine dezente Rückbesinnung auf den luftigen Sound ihres Klassikers "Try" ist, kommt sicherlich nicht von Ungefähr. "Superposition" bringt alles Wissen, das sich bei Torulsson angesammelt hat, auf einen Punkt. Zudem hat sich auch der Klang weiterentwickelt, was nicht zuletzt am neu eingerichteten Studio liegt, bei dem der Tonfetischist penibel auf einen gut ausgesteuerten Sound geachtet hat.
Das Ergebnis ist ein vollerer, raumgreifender Klang, der zwar an der Oberfläche so glänzt wie frisch polierter Chrom, unter der sich jedoch eine gefühlte Unendlichkeit der Töne ausbreitet. Selbst eine mit Retrowave-Charme aufgemotzte Nummer wie "Dancers In The Dark" (ein großartiger Track, der vergleichbar mit den Stücken vom französischen Produzenten Vitalic ist) beherbergt eine tiefere Wahrheit, die es zu ergründen gilt.
Torul bringen das Kunststück fertig, jeden der zehn Songs zu einem fesselnden Kleinod zu gestalten. Da wird das deutschsprachige "Zu Spät" mit seinen knarzenden Basslinien, Vocoder-Stimmen und jubilierenden Kraftwerk-Fanfaren zu einem perfekt austarierten Stück, bei dem sich Vergangenheit und Gegenwart liebevoll berühren, "Messianic" verstreut einige Post-Punk-Gitarren in die Komposition und "My Way" ist ein 80s-Synthie-Pop-Monster, das in jeder Italo-Disco sicherlich auf schwerer Rotation gelaufen wäre.
"Superposition" bedeutet also in der Welt von Torul, dass sich hier verschiedene klangliche Möglichkeiten begegnen und gemeinsam existieren, um etwas Neues zu erschaffen. Es ist immer etwas zu sehr vorgegriffen, wenn man zu so einem frühen Zeitpunkt von einem Album des Jahres spricht, aber Torul hat bereits jetzt schon die Messlatte für weitere Veröffentlichungen aus der Abteilung synthesizerbasierter Popmusik schwindelerregend hoch gelegt. Dass es deren bislang bestes Album ist, dürfte indes wohl Konsens sein.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 25.02.25 | KONTAKT | WEITER: CRYING VESSEL "SEPULCHERS - THE MAIDEN"/"SEPULCHERS - THE SERVANT">
Kurze Info in eigener Sache
Alle Texte werden Dir kostenfrei in einer leserfreundlichen Umgebung ohne blinkende Banner, alles blockierende Werbe-Popups oder gar unseriöse Speicherung Deiner persönlichen Daten zur Verfügung gestellt.
Wenn Dir unsere Arbeit gefällt und Du etwas für dieses kurzweilige Lesevergnügen zurückgeben möchtest, kannst Du Folgendes tun:
Druck' diesen Artikel aus, reich' ihn weiter - oder verbreite den Link zum Text ganz modern über das weltweite Netz.
Alleine können wir wenig verändern; gemeinsam jedoch sehr viel.
Wir bedanken uns für jede Unterstützung!
Unabhängige Medien sind nicht nur denkbar, sondern auch möglich.
Deine UNTER-TON Redaktion
Kurze Info in eigener Sache
Alle Texte werden Dir kostenfrei in einer leserfreundlichen Umgebung ohne blinkende Banner, alles blockierende Werbe-Popups oder gar unseriöse Speicherung Deiner persönlichen Daten zur Verfügung gestellt.
Wenn Dir unsere Arbeit gefällt und Du etwas für dieses kurzweilige Lesevergnügen zurückgeben möchtest, kannst Du Folgendes tun:
Druck' diesen Artikel aus, reich' ihn weiter - oder verbreite den Link zum Text ganz modern über das weltweite Netz.
Alleine können wir wenig verändern; gemeinsam jedoch sehr viel.
Wir bedanken uns für jede Unterstützung!
Unabhängige Medien sind nicht nur denkbar, sondern auch möglich.
Deine UNTER-TON Redaktion
POP-SHOPPING

Du möchtest diese CD (oder einen anderen Artikel Deiner Wahl) online bestellen? Über den oben stehenden Link kommst Du auf die Amazon.de-Seite - und wir erhalten über das Partner-Programm eine kleine Provision, mit der wir einen Bruchteil der laufenden Kosten für UNTER.TON decken können. Es kostet Dich keinen Cent extra - und ändert nichts an der Tatsache, dass wir ein unabhängiges Magazin sind, das für seine Inhalte und Meinungen keine finanziellen Zuwendungen von Dritten Personen bekommt. Mit Deiner aktiven Unterstützung leistest Du einen winzig kleinen, aber dennoch feinen Beitrag zum Erhalt dieser Seite - ganz einfach und nebenbei - für den wir natürlich außerordentlich dankbar sind.
COVER © INFACTED RECORDINGS
ANDERE ARTIKEL AUF UNTER.TON
Website:
Rechtlicher Hinweis: UNTER.TON setzt auf eine klare Schwarz-Weiß-Ästhetik. Deshalb wurden farbige Original-Bilder unserem Layout für diesen Artikel angepasst. Sämtliche Bildausschnitte, Rahmen und Montagen stammen aus eigener Hand und folgen dem grafischem Gesamtkonzept unseres Magazins.
© || UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR | IM NETZ SEIT 02/04/2014. ||
© || UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR | IM NETZ SEIT 02/04/2014. ||