WAS MACHT EIGENTLICH FINAL SELECTION: "ES IST NICHT MEIN ANTRIEB, MUSIK DER VERÖFFENTLICHUNG WEGEN ZU MACHEN." - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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WAS MACHT EIGENTLICH FINAL SELECTION: "ES IST NICHT MEIN ANTRIEB, MUSIK DER VERÖFFENTLICHUNG WEGEN ZU MACHEN."

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Verbittert wirkt Riccardo Schult-Nowotny nicht. Aber man würde es ihm auch nicht verübeln können. Immerhin gelangen ihm mit seiner Band Final Selection drei wunderbare Alben - von denen aber kaum jemand Notiz nahm. Neun Jahre nach dem letzten Werk "Clockworks" begibt sich UNTER.TON zusammen mit Riccardo nochmal auf Zeitreise und lässt die unglaubliche Pechsträhne Revue passieren - um schlussendlich doch noch gute Neuigkeiten zu verkünden.

Die Geschichte von Final Selection ließt sich ein wenig dramatisch: Fast zehn Jahre nach Eurer Gründung habt ihr erst Euer Debüt "Anti-Hero" 2003 veröffentlicht. Beim zweiten Album "Meridian" von 2005 gab es massive Probleme mit Eurem damaligen Plattenlabel. Und "Clockworks" drei Jahre später erschien fast unbemerkt, obgleich die Reaktionen durchweg positiv waren. Kann man sagen, dass Du nicht besonders viel Glück hattest mit Deiner Musik?

Riccardo:
Ja, ich würde sagen das trifft es auf den Punkt. Gepaart mit mangelnder Erfahrung und gewisser Blauäugigkeit aller Beteiligten.

Seit letztem Jahr ist nun auch Dein langjähriger Mitstreiter Mario Tews aus der Band ausgestiegen. Was waren seine Beweggründe?

Nun, wir werden nicht jünger (grinst). Es hat sich in den vielen Jahren innerhalb unserer Band, aber natürlich auch in unserem Umfeld, immer wieder viel verändert. Wir sind beide Familienväter, sind jeweils glücklich verheiratet und jeder ist auf seine Art zufrieden. Für Mario hatte schließlich die Musik, beziehungsweise final selection nicht mehr so den Stellenwert im Leben, wie vielleicht für mich. Natürlich sind wir nach wie vor befreundet, treffen uns hin und wieder und reden selbstverständlich auch über die Musik von final selection. Er ist quasi in beratender Funktion immer noch da.

Wie stark ist für Dich noch der Drang, Musik zu machen – vor allem in Anbetracht der ganzen Fallstricke?

Manchmal sehr stark, manchmal spüre ich ihn gar nicht. Was bisher war und nicht für uns lief, spielt dabei überhaupt keine Rolle. Es ist nicht mein Antrieb, Musik der Veröffentlichung wegen zu machen. Ich bin mir dabei selbst wichtig und brauche das Songschreiben oder das Sounds kreieren als Ausgleich zum Alltag. Mein eigener kleiner Mikrokosmos quasi. Manchmal steht bei mir auch ganz schlicht das Interesse an der Technik im Vordergrund: Ich probiere Software aus, bastele an Sounds herum und freue mich wenn alles funktioniert. Oder ich sitze in meinem Studio und höre einfach nur gute Musik. Und hin und wieder entsteht dann auch ein neuer Song.

Euer Meisterwerk ist zweifelsohne "Meridian", ein perfektes Konzeptalbum, das sowohl musikalisch als auch optisch überzeugt. Allerdings lief einiges schief. Kannst Du noch mal kurz schildern, was genau geschehen ist mit dem Label Black Flames, bei dem ihr unter Vertrag wart?

Das kann ich gar nicht so genau sagen. Wir hatten zu der Zeit damals eine ziemlich klare Vorstellung, wie die Veröffentlichung von Meridian aussehen sollte. Es war zum Beispiel ein limitiertes, künstlerisch sehr aufwendiges, Boxset geplant, inklusive begleitender Internetseite, T-Shirt und noch einiger anderer Dinge. Alles mit Rücksprache und dem Einverständnis unseres damaligen Labels, versteht sich. Das ist beispielsweise nie erschienen und die ganze Arbeit war umsonst. Ich persönlich glaube, Black Flames Records hatte vielleicht auch etwas naive Vorstellungen, wie ein Label funktioniert und dabei auf so etwas wie Szenezusammenhalt und Freundschaft gebaut. So weit ich weiß, wollte man dort sehr vieles erreichen ohne dabei immer den finanziellen Aspekt im Auge zu behalten. Ich weiß z.B. von nicht bezahlten Werbeanzeigen in diversen Magazinen, was zur Folge hatte, das die Promotion für Meridian nicht so lief, wie es ursprünglich geplant war. Hinzu kamen noch Lieferschwierigkeiten mit der regulären CD, so das der damalige Vertrieb zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gar keine CDs ausliefern konnte.

Rückblickend betrachtet: was hättest Du anders gemacht?
Produktionstechnisch aus heutiger Sicht mit den heute mir zur Verfügung stehenden Mitteln würde Meridian sicher ausgereifter klingen. Was die Sache mit dem Label angeht: Vielleicht wollten wir einfach auch zu viel. Es ist allerdings schwierig, das ins Heute zu transportieren. Was würde ich anders machen? Wahrscheinlich würde ich nicht noch einmal mit einem Label zusammenarbeiten. Oder zumindest nicht mit einem relativ neuen und unerfahrenen. Ohne jetzt den Einblick in die heutige Arbeit eines Plattenlabels zu haben, denke ich, dass sich in den letzten zehn Jahren sowieso eine ganze Menge geändert hat.

Trotz alledem ist der Name Final Selection nicht ganz unbekannt. Gibt es einige Menschen, die dich vielleicht auch anschreiben und nach neuem Material fragen?

Das kommt in der Tat vor. Interessant ist dabei zu sehen, aus welchen Teilen der Welt diese Anfragen kommen. Da ist von Russland bis Peru irgendwie alles dabei. Das ist schön. Und wenn ich zurück denke, wohin uns unsere Musik überall gebracht hat, welche Menschen wir durch unsere Musik kennenlernen durften, was wir erlebt haben - das macht mich schon ein Stück weit stolz.

Ich zitiere mal einige Kundenkritiken zu Eurem Album "Meridian": "Es kann einem jeder leid tun, der diese CD nicht besitzt", "Ein Meisterwerk der elektronischen Popmusik!", "Ganz großes Ohren - und Kopfkino". Wäre es da vielleicht nicht eine Idee, das Album nochmals zu veröffentlichen und einer größeren Gemeinde zugänglich zu machen? Diejenigen, die es kennen gelernt haben, scheinen sehr begeistert zu sein...

Zum einen waren wir nie die großen Archivare, so dass wir nicht wirklich auf das Material von damals zurückgreifen könnten. Klar, ein Master gibt es noch und vielleicht gibt es mal irgendwann ein Rerelease im Zuge einer Veröffentlichung eines neuen Albums. Ich bin allerdings selbst mehr als zehn Jahre weiter und habe nicht mehr die Sicht auf die Dinge von damals. Ich habe es probiert, aber es fällt mir schwer, noch einmal an den Songs zu arbeiten. Es macht mir ganz ehrlich gesagt auch keinen Spaß. Ein ein neues Album hat da schon deutlich höhere Priorität.

Wie ist momentan die Situation? Wird es wieder neues Material von Final Selection geben? Wenn ja, bleibt ihr Eurem verträumt-elektronischem Stil treu?

Das wird es definitiv. Wir haben zu diesem Zeitpunkt eine Reihe von Songs, die den Status "fertig" oder "beinahe fertig" haben. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass man uns erkennen wird. Wann allerdings und in welcher Form, kann ich noch nicht sagen. Ich denke aber, das wir Ende des Jahres so viele Stücke zusammen haben, das wir in die Situation kommen könnten, über den nächsten Schritt nachzudenken.

Könntest Du Dir vorstellen, wieder in ähnlicher Weise ein Konzeptalbum wie "Meridian" zu machen?

Ich will das nicht gänzlich ausschließen, aber marketingstrategisch gesehen wahrscheinlich eher nein. Dazu kommt, dass ein solches Projekt sehr zeitintensiv ist. Diese ganze Meridian-Geschichte hatte mich und das komplette Bandumfeld damals sehr lange und intensiv beschäftigt, angefangen von der Idee der Geschichte hinter dem Album bis hin zum Artwork. Um so etwas zu machen, brauchst du Freiheiten, aber auch die Einsamkeit, dich viele Tage oder Nächte mit deinen Ideen einzusperren. Diese Freiheit und Einsamkeit habe ich gerade (vielleicht zum Glück) nicht.


|| INTERVIEW: DANIEL DRESSLER | DATUM: 17.05.17 | KONTAKT | WEITER: PALAST VS. PRINCIPE VALIENTE VS. THE FATHER AND THE SUN >


Fotos © Ina Funke (flying sparks) und Katy Nowotny

Website
www.final-selection.de

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