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HOZIER "UNREAL UNEARTH": MUT ZUR VERÄNDERUNG

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Zwei Sachen fallen gleich auf: "Unreal Unearth" ist lang. Ganze 16 Songs umfasst das dritte Werk des irischen Folk-Sängers. Und so ein Hit wie "Take Me To Church" sucht man hier vergeblich. Es war aber auch kaum anders zu erwarten. Hozier hat es nie darauf angelegt, dem Formatradio zu gefallen. Wichtiger sind ihm die Inhalte und die Gedanken, die er mit seiner kraftvollen Stimme voller Leidenschaft vorträgt.

Ein bisschen erinnert er in seinem musikalischen Werdegang an Heroes Del Silencio der Warren Zevon. Klassische One-Hit-Wonder, die sich mit einem Song unsterblich gemacht haben und durch regelmäßige Air-Plays im Gedächtnis bleiben. Darüber wird aber vergessen, dass sie ausgesprochen gute Alben erschaffen haben. Meistens bleiben diese einem erlauchten Kennerkreis vorbehalten, während die Masse weiter auf einen neuen Hit hofft.

Doch diese Freude will Hozier ihnen eben nicht machen. Das macht ihn auf der anderen Seite sehr authentisch. Und das macht auch "Unreal Unearth" authentisch, welches einmal mehr die musikalischen Grenzen des Mannes mit der Jesusmähne weiter ausdehnt. Im Kern bleibt der Ire seinem geliebten Soul-Pop mit Folk-Einschlag treu. Aber noch mehr als früher setzt er interessante Kontrapunkte innerhalb des Albums, was "Unreal Unearth" extrem dynamisch macht.

So beginnt der dritte Longplayer mit einer zweiteiligen Suite. "De Selby (Part 1)" nimmt sich dezent zurück; Hozier singt in verzückt hohen Lagen, ehe der zweite Teil (gleichzeitig eine der vielen Vorabauskopplungen) der vielleicht poppigste Song des Insulaners ever ist. Wer aber nun denkt, dass "Unreal Unearth" sich anzubiedern versucht, der irrt gewaltig. Weiter bleibt der Mann ein nicht auszurechnendes Talent. War "De Selby (Part 2)" sein bislang eingängigstes Stück, ist "Francesca" das rockigste. Besonders im Refrain öffnet sich die Nummer und steigt - auch das gehört zu Hoziers Spezialität - in transzendente Sphären.

Nur, um in "I, Carrion" mit einer intimen Folkballade mit Streicherbegleitung sämtliche Winde aus den Segeln zu nehmen und nachfolgendem "Eat Your Young" eine soulige Rhythmusgrundlage zu verpassen. "Son Of Nyx" gar überlässt einem wuchtigen Streicherarrangement die gesamte Bühne, während Hoziers Gesänge verfremdet und wie verwaschen im Hintergrund umhermäandert. Diese äußerst experimentelle Seite bekam man so noch nicht zu Gehör.

Dem deutlich konzeptuell angelegten Album stand Dantes erster Teil der "Göttlichen Komödie", "Inferno" betitelt, Pate. Hierin geht es um die Reise des lyrischen Ichs durch die irdische Hölle, um den Weg zu Gott zu finden. Damit bleibt Hozier sich in einem Punkt treu: Die Auseinandersetzung mit der Kirche gerät für ihn immer mehr zur Lebensaufgabe. Seine kritische Haltung gegenüber den Katholiken ist bekannt. In einem Interview hat er es scharf kritisiert, dass Homosexuelle und Frauen von der katholischen Kirche als "Sünder" per se abgestempelt werden. "Take Me To Church" griff in dem bedrückenden Video das Thema Homophobie nochmals auf und festigt Hoziers' Ruf als Songwriter mit sozial-politischem Gewissen.

Dies wird auch bei "Unreal Unearth" wieder sichtbar. Mehr aber noch beschreitet das dritte musikalisch neue Wege, die den Mann weiterhin zu einem spannenden Ausnahmetalent machen, der mit seinen Alben ein ums andere Mal dem teils tumb-tristen Mainstream-Einheitsbrei mit tiefwurzelnden Gedanken und spielerischer Leichtigkeit erfrischende Farbtupfer setzt.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 18.08.23 | KONTAKT | WEITER: VARIOUS ARTISTS "COLD GROOVES">

Webseite:
www.hozier.com

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COVER © Island/Universal Music

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