PMAD "WHO WHY WHERE WHAT" VS. FRENCHY AND THE PUNK "ZEN GHOST" VS. PHOMEA "ME AND MY ARMY": UNGEHÖRT? UNERHÖRT!
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Im Falle von PMad hat die Redaktion mal wieder Glück. Denn das irische Solo-Porjekt von Paul Dillon hat ohne große Vorankündigung uns ein Exemplar seines Album "Who Why Where What" zugeschickt. Und exakt die gleichen Fragen, die im Albumtitel gestellt wurden, ploppten auch im Kopf des Autors dieser Zeilen auf. Wollen wir mal alles in Ruhe abarbeiten.
Wer? Wie gesagt: Paul Dillon. Ein bislang noch nicht großartig in Erscheinung getretener Musiker, der sich mit diesem ersten Album aber gleich mal breitbeinig positioniert. Seine Passion ist der Gothic-Rock in seiner klassischen Form, die er aber mit einigen Raffinessen und unerwarteten Wendungen würzt.
Wieso? Nun ja, da muss man den Künstler wohl selber fragen. Höchstwahrscheinlich geht es ihm aber, wie es den meisten Kunstschaffenden geht. Man versucht, die Existenz zu verstehen oder sie mittels der Kunst verständlich zu machen. PMads offensichtlich nicht gerade positive Einstellung zur Welt und der Menschheit, die auf ihr lebt, schimmert in jeder Note seiner Songs durch.
Wo? Am besten "Who Why Where What" zu Hause geniessen. Aber Stücke wie "Who Am I" oder "Broken", die sich stilistisch an The Mission und Konsorten anlehnen, sind natürlich auch ein willkommener Anschubser für alle Tanzfaulen in der Dunkel-Disco.
Was? Der Blick auf die Welt und das Vezweifeln an ihr. Das scheint die Triebfeder von Paul Dillon zu sein, der aber bei allem Zweifel wenigstens musikalisch auch helle Momente enthält. "Except Me" ist so ein Beispiel: Der Song ist in seinem ganzen Arrangement unglaublich transparent und Paul klingt so, als ob er in ein kaputtes Mikro singen würde. Das hat seinen Charme, wie auch "Sisters", das die Dunkelheit von Sisters Of Mercy mit den jubilierenden Stadion-Rock der Simple Minds zu kreuzen versucht.
Eingerahmt von einer existenziellen Frage ("Who Am I"), die am Ende klar beantwortet wird ("I Am"), ist PMad auf der Suche nach dem determinierten Platz im Leben. Die Suche nach Orientierung hat der Ire musikalisch sehr schön und abwechslungsreich gestaltet. Dabei wandert er von klassischen Goth-Rock-Manierismen über die Spielzeit zu einem stilistisch immer freier agierenden Grübler. Ein sehr gutes Debutalbum eines Musikers, von dem wir in Zukunft hoffentlich noch mehr zu hören bekommen.
Einiges hat man bereits von Frenchy & The Punk gehört - zumindest hätte man es hören können. Denn das Duo um Sängerin Samantha Stephenson und Gitarrist Scott Helland ist auch schon seit mehr als 15 Jahren im Musikzirkus unterwegs. "Zirkus" ist dabei das richtige Stichwort, denn ähnlich wie die Dresden Dolls, mit denen die beiden gerne verglichen werden, pflegen sie einen Dark-Cabaret-Stil, der sich aber wesentlich von jenem, den Amanda Palmer und ihr Mitstreiter Brian Viglione präsentierten, unterscheidet.
Bei Frenchy And The Punk dominiert eher das Gothic-Moment, was sicherlich auch an Samantha liegt, deren betörende Stimme ein ähnlich todessehnsüchtiges Timbre besitzt wie Siouxsie Sioux. Ihr neuestes Album "Zen Ghost" bildet da erfreulicherweise keine Ausnahme. Besonders in den tanzbaren Momenten wie bei "Come In And Play" kann man deutlich ihre Vorlieben für den gitarrenbasierten Schwarz-Rock der frühen 1980er erkennen.
Was die Band so spannend macht, ist ihre eher sparsame Instrumentierung: Akustik-Gitarre, hier und da auch mal elektrifiziert, ganz wenig Keyboard und trockenes Schlagzeug sind die wenigen Zutaten, die aber vollkommen ausreichen, um eine dynamische Vorstellung abzuliefern. Auch hier muss man wieder sagen: Es ist vor allem Samantha, die mit ihrer Sangesdarbietung die Songs nagelt. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt bei Frenchy & the Punk.
Das bedeutet aber nicht, dass Scotts Talente zweitrangig wären. Au contraire: Er hat ein sehr gutes Gespür dafür, die Songs so zu arrangieren, dass sie die Sängerin perfekt unterstützen. Am Ende stehen dann solch wunderbar schwarzen Perlen wie "If The World Doesn't End First" oder "Temple Of Sleep", die trotz oder gerade wegen ihres permeablen Sounds derart intensiv klingen.
Selbst "Church Of Sound", das nur mit Gitarrenbegleitung auskommt, wirkt so atmosphärisch dicht wie das Lauschen einer alten Weise bei einem Lagerfeuer. Auch "Oxygen" folgt dem Motto "weniger ist mehr" und bekommt dadurch eine ganz außerweltliche Aura. Und wenn am Ende unter verhallten Gitarren "I'll See You Again" erklingt, will man sich einfach nur zurücklehnen und ein Glas Rotwein genießen.
"Zen Ghost" ist ein wahres Gruftie-Juwel, das in keiner Plattensammlung fehlen darf. Hoffentlich gelingt Frenchy & The Punk hierzulande endlich der große Durchbruch. Sie hätten es so sehr verdient.
Wie bei PMad, hat uns auch Phomea einfach mit seinem Album bemustert, ohne das wir angefragt haben. Schnell war aber klar: Dieses Album muss unbedingt besprochen werden! Fabio Pocci, der Mann hinter Phomea, konnte bereits mit dem ersten Song "Take Control" unsere Aufmerksamkeit gewinnen. Schnell war die Neugier geweckt, was es mit "Me And My Army", so der Titel des aktuellen Werks, auf sich hat.
Die Armee, von der im Titel die Rede ist, existiert wirklich und besteht aus 20 weiteren Musikern, die Pocci unter die Arme gegriffen haben, um dieses Werk zu realisieren. Davor hat sich Phomea in eher akustischen Gefilden rumgetrieben, was man "Me And My Army" auch teilweis noch anhört. Aber der Wunsch nach Größerem ist nicht von der Hand zu weisen.
Schon "Take Control" will keine schnöde Komposition sein, sondern sich in einer Grandezza suhlen, die wegweisend für das Album ist. Denn es ermöglicht dem Musiker eine große Freiheit, die sich beispielsweise in "Ruins Of Gold" eröffnet. Digital zerheckselte Sangespassagen gehen eine Symbiose mit raumfüllenden Post-Rock und dezenten Saxofon-Spiel ein. Phomea will seine Hörerschaft dazu animieren, genau hinzuhören, um seine Gedanken in die Welt hinaus zu tragen.
Denn die Fragen, die sich Fabio Pocci stellt, sind so alt wie die Menschheit selbst. Doch gerade in unserer hoch technologisierten Welt ist die Suche nach Menschlichkeit oder die Überlegung, was den Menschen im Kern überhaupt ausmacht, so brennend wie nie zuvor. Um die Diskrepanz auch visuell zu verdeutlichen, hat er im Booklet seines Albums zu jedem seiner Songs ein Bild dazugestellt, das von einem Algorithmus erstellt wurde. Menschlichkeit gegen künstliche Intelligenz: ein Kampf, der sich in der Zukunft intensivieren wird, wie man an den aktuellen Diskussionen um ChatGPT, einem Prototyp eines Chatbots, also eines textbasierten Dialogsystems als Benutzerschnittstelle, der auf maschinellem Lernen beruht. Phomea greift diese Diskrepanz bereits auf.
Seine an Radiohead oder Bon Iver erinnernde Musik bildet ganz klar den menschlichen Part, denn so gut entwickelt die künstliche Intelligenz auch sein mag, sie wird kaum diese so wunderbare Stücke wie "The Swarm" oder "Perfect Stone" generieren können. Dafür braucht es das Herz und die Seele des Menschen. Ein Künstler, der intensiv fühlt und seine Gedanken zu Papier bringt, wird niemals von einer AI-Maschine ersetzt werden können - ein tröstlicher Gedanke..
Am Ende versprüht "Look At You" denn auch so etwas wie Freude an seiner eigenen Existenz. Dies muss auch nicht großartig und in Überlange kommuniziert werden. Eine Minute und 48 Sekunden reichen aus, um die Freude, aber auch die Erleichterung auszudrücken.
Freude ist auch das Gefühl bei der Hörerschaft, denn Phomea, Frenchy And The Punk sowie PMad gelingen drei brillante Alben, die sich ohne große Umwege direkt ins Herz der Hörer spielen. Die Intensität ihrer Werke sollte uns daran erinnern, dass nicht Klicks oder Aufrufe im Internet darüber richten, ob eine Band oder ein Musiker und eine Musikerin gut sind. Die wahren Schätze finden sich manchmal jenseits von großartigen Internetauftritten.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 03.02.23 | KONTAKT | WEITER: TOP 5 - DEPRI SCHLAGER>
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Cover © PMad, CD Baby/Frenchy And The Punk, Beta Produzioni (Phomea)
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© || UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR | IM NETZ SEIT 02/04/2014. ||
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