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EWIAN "WE NEED MONSTERS": GLAUBE, LIEBE, HOFFNUNG

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Bereits im vergangenen Jahr wagte das ätherische Rock-Projekt Ewian den nostalgischen Blick zurück.

Auf seinem Debüt besang das Musiker-Kollektiv den "Good Old Underground"
wie einen altbekannt-charmanten Freund, der trotz fortschreitender Jahre und diverser Unkenrufe noch immer nicht an Kraft verloren hat.

Auch wenn dieses amorphe Gebilde heutzutage kaum mehr zu sein scheint als eine leblose Skizze auf dem Reißbrett irgendeiner profitorientierten Plattenfirma, die nach dem nächsten Vermarktungs-Coup geifert, lässt selbst kulturpessimistische Gemüter am Ende doch nie der Gedanke los, dass es eines Tages vielleicht doch wieder so etwas wie eine künstlerische Gegenkultur geben könnte.

Und dieser
Gedanke allein ist ja immerhin noch frei.

Vorerst bleibt jedoch nicht nur uns, sondern auch den unangepassten Tagträumern von Ewian, lediglich der Rückzug in die innere Emigration.

Dies zeichnete sich bereits auf "Good Old Underground" ab: Immer wieder richtete sich der Fokus des klangberauschten Debüts auf die Gedankenwelt von Frontmann Ewian Christensen.


"We Need Monsters" intensiviert diese Innerlichkeit durch einen von sämtlichen Einflüssen losgelösten, melodisch-lärmenden Rock und legt im Vergleich zum Debüt sogar noch einmal an Schwermut und Tiefe zu.


Wie die dunklen Linien, die aus dem Mund des geisterhaft gezeichneten Mannes auf dem Cover strömen, so bewegen sich auch Wort und Klang in einem nebulös wabernden Kosmos aus christlicher Symbolik und kryptisch-surrealer Metaphorik.


Dass sich Ewian Christensen beim Promo-Shoot, zu sehen übrigens auf der letzten Seite des Booklets, zusammen mit seinem neuen Gitarristen Jannis Körfer-Peters fast schon statisch-emotionslos ablichten ließ, verdeutlicht einmal mehr, dass seine Reise in die Gedankenwelt vom eigenen Leib abgekoppelt werden kann.

Hier ist nicht die Geste groß, sondern der Inhalt: Mimisch-Gestisches-Zuckerguss-Pathos, wie es die wimmernden Barden unserer Zeit meist bis zum Erbrechen bemühen, braucht es hier nicht. Wahnsinnig gefühlsbetonte Handlungen aus der Retorte: Fehlanzeige!

Endlich mal ein Denker, kein Selbstdarsteller, möchte man vor Freude rufen.


Denn im tiefsten Innern brodelt es, setzen sich Denkprozesse in Gang.


Extrem sinnträchtig eröffnen Ewian ihren Zweitling mit einem "Ticket From Kingdom Come". Es ist die Hoffnung des Protagonisten, im Jenseits seine(n) Angebetete(n) noch intensiver zu spüren ("To Feel You. Like I Couldn't Do On Earth"). Verwandte Seelen, im Tode vereint. Ein düsterromantischer Gedanke, der die Menschen nicht erst seit Shakespeare berührt.

Schillernde Transzendenz, gepaart mit einer großen Dosis Eskapismus.

Auf "We Need Monsters" spielen Ewian diese spannende Verbindung auf verschiedenste Arten durch und geben eine äußerst subtile, von sämtlichem Klischee-Kitsch befreite Liebeslyrik hinzu.


Das führt folgerichtig nicht nur zu verschiedensten Interpretationsansätzen, sondern auch Überlegungen beim Hörer.
"Star" beispielsweise klingt zunächst wie eine amouröse Überhöhung: "I Watch The Beauty Inside Your Sheen. And Then I Forget All Misery." Doch mit jedem weiteren Takt wird diese Hinwendung religiös eingefärbt: "How Can You Shine So Grand? You'll Burn The Sky, When I Am Gone, When I Have Died."

Am Ende verspricht Ewian einem Mantra gleich: "I Come Home". Ist es also die Liebe zu einem höheren Wesen? Gar zu Gott?

Wohl eher nicht! Denn in "Monster" trifft das lyrische Ich tatsächlich auf seinen Schöpfer. Und seine Bitte ist unmissverständlich und kritisch: "Lord – Would You Be So Kind? To Stop The Killing".

Aber ist der Eine wirklich das "Monster" – oder besteht das Monströse eher darin, dass sich dieser unbekannte Herrscher über Leben und Tod nicht um seine eigene Kreation kümmert und all die Grausamkeiten auf Erden einfach geschehen lässt?

Antworten darauf gibt es nicht; bloß die ernüchternde Erkenntnis, dass das Individuum als einsamer Gast auf Erden sich schindet, windet, aufbäumt - und wieder verschwindet.


Bisweilen scheinen Ewian an diesem Schicksal zu verzweifeln.

Im "Song For The Psychonauts" etwa gesteht sich der Erzähler fern aller Illusionen ein, dass er wohl einfach nicht in diese Welt passt. "I'm None Of Those Who Can Stand Reality".

Offenbart sich doch einmal ein rarer
Funke Hoffnung, so bleibt er als seltsames Zerrbild nur aus weiter Ferne sichtbar.

Gleich der legendären "I Have A Dream"-Predigt von Martin Luther King, erzählt auch Ewian Christensen in "Some Day" von einer friedlichen Zukunft auf Erden; allerdings mit derart fragmentierter Stimme, dass von dieser wunderbar utopischen Vorstellung einer besseren Welt nicht mehr bleibt als deren bittere Karikatur.

Ewian Christensen drückte seiner Kunst zu Anfang – vielleicht auch etwas unwillig – den Stempel "Dream Noise" auf, der jetzt mit "We Need Monsters" in dem erfolgreichen Versuch resultiert, sich von allen gängigen Schemata des Rock-Diskurses zu lösen.

Zwar erinnern die kompositorisch ausufernden Klangbauten bisweilen an die Kollegen von Muse (allen voran der Titel "Sweet Swan"); wo aber bei den Briten die symphonischen Spielereien bisweilen in emotionsarme Musical-Gebärden abdriften, verlieren Ewian nie die Bodenhaftung und bleiben in ihren Gemütszuständen nicht nur nachvollziehbar, sondern immer auch klar erreichbar.


Mit dem traumhaft schönen "Beautiful Lie" gelingt dem Projekt übrigens der wunderbare Spagat zwischen Zerbrechlichkeit und Wut: Dem zart-filigranen, fast schüchternen Anfang folgt ein verhallter Gitarrensturm, ein in Noten gepackter Aufschrei, der sich gegen die Grausamkeiten einer repressiven Gesellschaft richtet.

Schließlich heißt es bei "Love" am Ende nur noch: "You Are Free. They Can't Control You."

Eine Aussage, die sich problemlos auf das Wirken dieses Mannes übertragen lässt.

Ewian Christensen ist ein stiller Philosoph; ein freigeistiger und höchst kritischer Mensch, der sich in seiner Kunst nicht kontrollieren lässt.

Seine Songs setzen da an, wo im Alltag sonst eher Schweigen herrscht; keine Angst davor, alte Wunden aufzureißen oder gleichgültig-bequeme Sicherheits-Monotonien in Sekundenschnelle auszulöschen.

Sie sind die kleinen Monster, die wir alle brauchen, um in dieser auf die reine Oberflächliche konzentrierten Welt des Scheins wieder mehr zum Sein zurückzukehren und das Gefühl zu feiern – gerade dann, wenn es am meisten weh tut.


||TEXT: DANIEL DRESSLER / ANTJE BISSINGER  | DATUM: 24.11.15 |  KONTAKT |  WEITER: KOMMENTAR "SCHWARZE SCHALE, HOHLER KERN" - SUCHBILD MIT GRUFTIE >


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Website
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