THEN COMES SILENCE: "ICH GLAUBE, DIE ZUKUNFT WIRD WEIBLICH" - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

Direkt zum Seiteninhalt

THEN COMES SILENCE: "ICH GLAUBE, DIE ZUKUNFT WIRD WEIBLICH"

Im Gespräch > THEN COMES SILENCE

Werden und Vergehen. Zwei Sujets, die Alex Svenson faszinieren. Mit seiner Band Then Comes Silence sucht er immer wieder nach neuen Variationen. Mit Erfolg: Ihr viertes Album "Blood" zeigt sich gleichzeitig lebensbejahend und morbid, greift aber unterschwellig tiefgreifende Gesellschaftsveränderungen auf. UNTER.TON plauschte kurz aber intensiv mit dem Frontmann.

Als wir das letzte Mal miteinandern sprachen, ist Euer letztes Album "Nyctophilia" erschienen - ein sehr dunkles Werk über den Tod und wie die westliche Gesellschaft versucht, ihn auszublenden. Nun kommt "Blood" heraus, was in meinen Augen einen ziemlicher Gegensatz darstellt. Schließlich bdeutet Blut ja Leben...

Alex: Blut kann viele symbolische Bedeutungen haben. Es ist zwar der Saft des Lebens, aber selbiges zu vergießen, besitzt wiederum einen dramatische Komponente. Schließlich steht dieses Bild für Verlust. Jedes Album von uns greift ein Thema auf, das sich nah am Tod oder an der Dunkelheit bewegt. So verhielt es sich mit "Nyctophilian" und so verhält es sich eben jetzt mit "Blood".

Das Blut steht dennoch als Leitmotiv für euer aktuelles Werk?

In gewisser Weise ja.

Zunächst beginnt ihr aber mit "The Dead Cry For No One"...

Ich glaube, dass sich der Tod nicht besonders um uns kümmert. Egozentrismus ist ein privelligiertes Phänomen der Lebenden.

Mit dem darauffolgenden "Flashing Pengs Of Love" zeigt Ihr Euch aber bereits dem Leben und der Lust zugewand. Wie stark ist diese Deiner Meinung nach mit den Begriffen Liebe und Schmerz verbunden?

Liebe und Lust sind für das Leben essentiell! Ich bin nicht hedonistisch veranlagt, aber ich finde es auch nicht verwerflich, wenn Menschen ausgelassen sind von allem zu viel in ihrem Leben genießen. Einfach machen! Vielleicht ist es gerade das, was man braucht. Lust, Liebe und Schmerz sind in der Tat miteinander verbunden.

Auf "Blood" wirkt ihr musikalischer konkreter mit einer starken Verbindung zu The Mission. Selbst Deine Stimme erinnert an die von ihrem Sänger Wayne Hussey. Würdest Du sagen, dass ihr "Euren" Sound damit gefunden habt?

Unsere Musik ist eine konstante Reise. Ich möchte nicht, dass unser nächstes Album wie das jetzige klingt. Man wird zwar immer hören, dass es sich um Then Comes Silence Handelt, aber die Platten sind auch wie die Kapitel unseres Lebens. Es ist eben eine fortlaufende Entwicklung und Veränderungen sind da unumgänglich.

Aber ihr habt auch einige Nummern, die deutlich auf die Post-Punk-Ära verweisen. Das Schlagzeug-Intro von "Warm Like Blood" ist nahezu identisch mit jenem von "Bela Lugosi's Dead" von Bauhaus. Wolltet ihr mit diesem Zitat Tribut an diese Band zollen?

Überhaupt nicht! Es handelt sich nicht um eine Hommage an Bauhaus. Der Rhythmus hat einen lateinamerikanischen Einfluss und das ist das Fundament dieses Songs. Ich würde sagen, dass die Nummer eher von Roxy Music als von Bauhaus beeinflusst ist.

Auch die weibliche Stimme bei "The Rest Will Follow" erinnert an Siouxsie Sioux...

Ich war begeistert, als ich Hanna Carlssons Stimme gehört habe. In der Tat kann man etwas Siouxsie & The Banshees heraushören, aber das ist eher Zufall. Hanna besitzt die gleiche Energie, um diese Stimmfarbe zu bekommen. Und es ist ja auch nicht das schlechteste, dass man sie mit Siouxsie vergleicht.

Das letzte Stück hat mich sprichwörtlich umgehauen. "Mercury", zu deutsch: Quecksilber, ist das perfekte Finale für dieses Album. Worum geht es darin?

Wir leben in einem patriarchalem System, das muffig und abgestanden ist. Ich habe Schwierigkeiten damit, eine Gesellschaft zu akzeptieren, die sich nicht für heilsbringenden Veränderungen einsetzt. Wusstest Du, dass Google zum Begriff "Misandrie" (Männerfeindlichkeit, Anm. d. Red.) nur 69.500 Treffer findet, für das Gegenteil "Misogynie" jedoch mehr als 9.900.000? Ich glaube, die Zukunft wird weiblich. Die Welt wäre ein weitaus konstruktiverer Ort ohne diese spießigen, priveligierten, alten Männer, die momentan am Ruder sind.

Die Zeile am Ende - "Extinction. Embrace the End", in Verbindung mit den fast sakral anmutenden Sounds, wird dem Tod ein wenig der Schrecken genommen. Es hat sogar etwas befreiendes...

Ja, da könntest Du Recht haben. In diesem Fall will ich, dass die männliche Herrschaft verschwindet. Man sollte sich nicht dagegen wehren, sondern es einfach geschehen lassen. Bestenfalls führt dies zu mehr Wissen und Einsicht.

Viele Bands sprechen gerne davon, ihr aktuelles Werk als ihr "bestes" zu bezeichnen. Wie ist es bei Euch? Welchen Stellenwert hat "Blood" in Euren Augen?

Kein album ist fehlerfrei. Es gibt immer einige Sachen, die du gerne anders oder besser gemacht hättest. Aber das macht den Charme, Musik aufzunehmen, eben aus. Ich bin stolz auf dieses Album - genauso wie auf jedes andere von uns. "Blood" setzt den Startpunkt für die nächste Platte. Also halten wir die Augen offen und schauen, wohin uns die Reise führt.

||INTERVIEW: DANIEL DRESSLER | DATUM: 30.10.17 | KONTAKT |  WEITER: THEN COMES SILENCE "BLOOD" >


Website
www.thencomessilence.eu


FOTO © PER KRISTIANSEN

WEITERE ARTIKEL AUF UNTER.TON
THEN COMES SILENCE "NYCTOPHILIAN"
INTERVIEW ZU "NYCTOPHILIAN"
INTERVIEW MIT ASP
BUCH "SOME WEAR LEATHER, SOME WEAR LACE"
L'ÂME IMMORTELLE "DRAHTSEILAKT"
MANTUS "MELANCHOLIA"
BACIO DI TOSCA "WAS ICH LIEBE"



Rechtlicher Hinweis: UNTER.TON setzt auf eine klare Schwarz-Weiß-Ästhetik. Deshalb wurden farbige Original-Bilder unserem Layout für diesen Artikel angepasst. Sämtliche Bildausschnitte, Rahmen und Montagen stammen aus eigener Hand und folgen dem grafischem Gesamtkonzept unseres Magazins.



                                                                              
© || UNTER.TON|MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR| IM NETZ SEIT 02/04/2014. ||

Zurück zum Seiteninhalt