MONOLINK "UNDER DARKENING SKIES" VS. ALESSANDRO CORTINI "SCURO CHIARO": ELEKTRONISCHE SCHÖNHEITEN MIT UND OHNE WORTE - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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MONOLINK "UNDER DARKENING SKIES" VS. ALESSANDRO CORTINI "SCURO CHIARO": ELEKTRONISCHE SCHÖNHEITEN MIT UND OHNE WORTE

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Vielleicht würde man es auf den ersten Blick (oder besser gesagt: beim ersten Hinhören) gar nicht so wahrnehmen, aber Steffen Linck, der unter dem Alias Monolink Musik macht, ist ein waschechter Singer/Songwriter. Denn er bringt alle Attribute mit: Er schreibt, vertont und singt seine Kompositionen komplett im Alleingang. Aber während mit diesem Begriff eher die klassischen Klampfenbarden wie Bob Dylan, Joni Mitchell oder auch Ed Sheeran in Verbindung gebracht werden, ist Monolink mit jeder Menge Elektronik ausgestattet.

Das merkt man bereits beim siebenminütigen "Laura", dem Eröffnungsstück des neuen Albums "Under Darkening Skies". Man muss sich aber einfach nur den ganzen Budenzauber, all die Beats, Flächen und weitere Ausschmückungen wegdenken. Plötzlich ist da wieder der Mann mit der Klampfe oder am Klavier herauszuhören und -zusehen. Dass Monolink sich aber dafür entschieden hat, seinen Kompositionen einen urbanen Dance-Sound aufzusetzen, ist vielleicht mit das Beste, was den Songs passieren konnte.

Dies ermöglicht nämlich Songs wie "The Prey", einem Stück "der Verführung, des gegenseitigen Benutzens", wie es Linck selbst beschreibt, gleichzeitig einen smoothen Dance-Charakter anzunehmen, aber auch unglaublich zerbrechlich und melancholisch zu wirken. Zuletzt gelang dieses Kunststück Moderat, die auf ihrem Album "II" mit solchen Krachern wie "Bad Kingdom" den Song als Kern immer im Auge behalten haben, darum aber eine dancefloororientierte Struktur aufgebaut haben.

Monolink verfährt ähnlich, lässt aber die subbassigen Sounds weg und konzentriert sich auf die flirrenden Melodien, die in "Harlem River" auch mal von einer unspektakulären E-Gitarre getragen werden können. Seine Vorliebe gilt aber den runtergebrochenen Trance-Konstrukten, die mit einer dominanten Rhythmussektion eine sehr urbane, aber gleichzeitig auch zerbrechliche und von Weltschmerz durchzogene Klangästhetik aufbaut.

Wie der sträflich vernachlässigte und zu wenig beachtete Janosch Moldau, setzt auch Monolink auf die sanfte Seite der Elektronik, die er mit seiner warmen, intimen Stimme kombiniert. Am besten funktioniert diese Melange bei "Don't Hold Back", dem absoluten Glanzstück auf "Under Darkening Skies". Steffen Linck hat nach seinem 2018 erschienenen Debüt "Amniotic" seinen Stil ein weiteres Mal verfeinert und unter dem Eindruck der Pandemie ein höchst intimes Werk geschaffen.

In diese Gefühlsebenen taucht Alessandro Cortini nicht ein, und doch umweht sein neues Werk "Scuro Chiaro" eine vertraute Heimeligkeit. Diese manifestiert sich in seinen frickeligen Instrumentalen, die vor allem versuchen, die Synthesizer zu ihrer Ursprungsform als Generatoren ungewöhnlicher Klänge zurückzuführen. Da darf dann auch mal wie im Eröffnungsstück "Ecco" das Rauschen als legitimer Teil der Komposition sich seiner Daseinsberechtigung erfreuen.

Zusammen mit dem schleppenden Beat erinnert man sich beim Opener zunächst an ein anderes Werk erinnert: "Geigerzähler", das Kraftwerks Spitzenprodukt "Radioaktivität" eintaktet. Der Vergleich mit den deutschen Pionieren des Techno-Pop ist dabei durchaus nicht ganz falsch, denn Cortini sucht ebenfalls das geniale Moment in der Einfachheit seiner Werke. Allerdings verzichtet er dann doch in der Regel auf das motorische Schlagzeugspiel, benutzt Bassdrums äußerst sparsam und akzentuiert, um den Ambientcharakter von "Scuro Chiaro" nicht zu stark zu verwässern.

Dieser wabert in alle Richtungen, fördert in "Lo Specchio" einen Weltraumklang erster Güte zu Tage, kann aber auch wie in "Corri" etwas verschränkt und maschinell wirken. In allen Stücken schafft Cortini, der sonst als Mitglied von Nine Inch Nails von sich Reden macht, eine einzigartige Atmosphäre, die dem Albumtitel entspricht. "Scuro Chiaro" leitet sich von "Chiaroscuro", zu deutsch: "helldunkel", ab, einer Maltechnik aus der Renaissance, in der mit kontrastreichen Lichtverhältnissen gespielt wird und wie man sie von den Gemälden von Carvaggio und Rembrandt her kennt.

Diese Technik überträgt Cortini in seine Stücke, in dem er sie zu Beginn ins Dunkle setzt und sie langsam ins Licht treten lässt. In absoluter Perfektion gelingt ihm dies bei "Verde", das unter viel Rauschen und gedämpften synthetischen Bläsern beginnt, ehe die Stimmung der Instrumente mit jedem Takt mehr sich aufzuhellen beginnt. Ebenso mäandert "Nessuno" in diesem Spannungsfeld effektiv hin- und her.

Alessandro Cortini, der noch ein Jahr zuvor mit Daniel Avery die sehr hörenswerte Platte "Illusion Of Time" auf den Markt brachte, bleibt seinem Stil treu und sucht in der reduzierten Elektronik die nachdenklichen Momente. Mit "Scuro Chiaro" ist ihm das ein weiteres Mal aufs Vortrefflichste gelungen. Cortini mausert sich zum Rembrandt an den Synthesizern.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 25.06.21 | KONTAKT | WEITER: SUSANNE BLECH VS. LEOPARD VS. BUNTSPECHT>

Webseite:
www.mono.link
cortini.bandcamp.com

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Cover © Embassy Of  Music/Tonpool (Monolink), Mute/Rough Trade (Alessandro Cortini)

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