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Ihr Debüt "Vater" von 1997? Ein Meilenstein für die deutschsprachige Schwarze Szene. Fälschlicherweise oftmals in einem Atemzug mit Rammstein und anderen tumben Recken der Neuen Deutschen Härte in Verbindung gebracht, besaßen Tobias "Toby" Hahn und Dirk "RIG" Riegert ein untrügliches Gespür für fein gesponnene, tiefenpsychologische Texte und schüttelten unter dem Namen JANUS eine musikalische Bandbreite aus dem Ärmel, von der sich bis heute manch ein Teutonen-
Höchste Zeit also, sich diese Ausnahmeerscheinung im UNTER.TON-Neun Jahre lang kaum ein Lebenszeichen von JANUS. Wenn man sich die Spielfreude auf euren Alben anhört, ist es kaum vorstellbar, dass ihr keine Musik machen könnt oder wollt. Wie sieht es momentan bei euch aus?
Toby: Gut sieht es aus. Wir haben den Staub von unseren morschen Knochen geschüttelt und sind, zumindest für JANUS-
RIG: Naja, zumindest einmal haben wir geprobt.
Toby: Hey, und das den ganzen Tag lang. Und das Ergebnis klang vielversprechend. Sehr vielversprechend!
RIG: Stimmt. Ich war ziemlich nervös, nach all den Jahren ohne Mikrofon vorm Gesicht. Aber es ist wie Radfahren. Man verlernt es nie.
Toby: Und all die neuen und alten Musiker fügen sich hervorragend zusammen. Ich freue mich schon auf ebenso intensive wie verrückte Versionen von "Hotel Eden" und "Jean Weiss" mit Marimbaphon und Klarinette...
Was war der Grund für euch, ein doch recht erfolgreiche Projekt so lange ruhen zu lassen?
RIG: Musik ist für uns Berufung, nicht Beruf.
Toby: Also ich bin Vollblutmusiker! Ich kam nur so selten dazu in den letzten Jahren, lag verschüttet unter Windeln, Bilanzberichten, Urlaubsalben.
RIG: Zudem fehlte es gerade mir an Inspiration zu neuen Liedern und Konzepten. Nichts ist für mein Empfinden schlimmer, als Bands, die Alben veröffentlichen, um zu überleben. Meist hört man das der Musik an. Sie versucht dann, nachdem der unschuldige Zauber der ersten Alben verflogen ist, etwas Vergangenes zu imitieren oder irgendeinen flüchtigen Zeitgeist einzufangen, aber meist fragt man sich dabei als Hörer, weshalb dieses bemühte, leere Stück Musik überhaupt existiert. So eine Art Album wollten wir nie veröffentlichen. Und etwas wirklich Wichtiges hatten wir nicht zu sagen. Also haben wir geschwiegen.
In Vergessenheit geraten seid ihr aber nicht. Noch immer geistern Songs wie "Rorschach", "Saitenspiel" oder "Schwarzer Witwer" in den Clubs herum. Eure CDs werden auf Ebay für horrende Preise versteigert. Kurzum: JANUS sind Kult. War das eine Entwicklung, die ihr selbst so beabsichtigt habt oder wundert ihr Euch manchmal selbst darüber?
RIG: Ja, es ist schon ein wenig verwunderlich. Vielleicht hat es damit zu tun, dass unser Verständnis von Musik ein wenig verschroben ist. Das limitiert einerseits zwar die potenzielle Hörerschaft, scheint andererseits aber ihre Treue sehr wetterfest zu machen.
Toby: Wir haben immer versucht, unseren Stücken Tiefe zu verleihen, so dass es stets etwas zu entdecken gibt unter der nächsten Zwiebelschale.
RIG: Und das ist anscheinend eine aussterbende Tugend. Es hilft nichts. Wir können nicht darauf warten, bis eine andere Band irgendwann einmal dasselbe in anders macht. Wir müssen wohl oder übel selbst wieder ran.
Nach neun Jahren Stille kommt es nun zu einer Wiederveröffentlichung eures Albums "Schlafende Hunde". Was trieb euch dazu?
RIG: "Schlafende Hunde" hat uns jetzt seit fast zwanzig Jahren kontinuierlich begleitet. Vom allerersten Demo 1995, aufgenommen in unserer Studentenbude, über den regulären Release im Jahre 2000 und den gescheiterten Versuch einer Neuauflage 2006, bis hin zum heutigen Tag.
Toby: Für mich ist das Hunde-
Auf der Wiederveröffentlichung ist auch ein neues Stück zu hören. Wieso habt ihr es auf diese CD gepackt? Immerhin folgen eure Alben stets einem Konzept und sind damit eigentlich hermetisch abgeschlossen.
RIG: Das ist in diesem Fall nicht anders. Das neue Stück "Mit leeren Händen" fügt sich nahtlos in den Hunde-
Toby: Die Vierfach-
RIG: Ende der Werbedurchsage.
Toby: Jaja. Nicht vergessen: Knochenhaus.de!
Großer Beliebtheit erfreut sich immer noch euer Debüt "Vater" von 1997. Woher rührte diese Leidenschaft, ein Album fast ausnahmslos über die literarische Gestalt des Vaters zu produzieren?
RIG: Das war ehrlich gesagt zunächst Zufall. Wir hatten einige Stücke, die sich um Vaterfiguren rankten, etwa "Der Flüsterer im Dunkeln" oder "Lolita" und dachten, es wäre eine gute Idee, dies zum zentralen Bestandteil der CD werden zu lassen. Nachdem wir uns einig waren, sie "Vater" zu nennen, fügte ich neue Variationen des Themas hinzu, etwa "Isaak" oder "Wolken über Orgonon".
Welches Verhältnis habt ihr zu euren Vätern?
RIG: Ein tadelloses. Auch wenn es langweilig erscheinen mag, nicht alle Inspirationen lassen sich auf direktem Wege zur eigenen Biographie zurückverfolgen.
Toby: Das Verhältnis zu meinem Vater ist heute bestens. Allerdings hatte es auch eine wechselhafte Geschichte. Als Teenager dachte ich, die Welt zu begreifen und mein eigener Herr zu sein. Dann war ich schockiert, als ich bemerkte, was ich so alles an gefühlsmäßigem und unterbewusstem Ballast mit mir herumschleppe. Mir hat die Arbeit an "Vater" damals geholfen, mit diesen Dämonen besser klar zu kommen. Musik war für mich immer die beste Therapie.
Seid ihr mittlerweile selbst Väter? Wenn ja, wie ist das Gefühl, die Seite zu wechseln?
Toby: Das ist extrem spannend und ich wage nicht, mir vorzustellen, was passiert, wenn sich meine Kinder einmal mit dem Thema in ähnlicher Weise auseinandersetzen. Vater sein ist jedenfalls eine grandiose Horizonterweiterung. Aber auch ganz schön anstrengend.
RIG: Naja, jedenfalls für alte Säcke wie uns. Toby ist übrigens ein super Babynator und Kinderbespaßer!
Toby: Du machst das aber auch ganz anständig.
RIG: Ich gebe mir größte Mühe, alltäglichen Herausforderungen standzuhalten, etwa Kindern das Konzept der Sterblichkeit näherzubringen oder sich den Rücken beim Rodeo reiten nicht vollends zu ruinieren.Sämtliche Texte auf „Vater“, aber auch später bei "Schlafende Hunde", "Auferstehung" und "Nachtmahr" sind hoch literarisch und haben eine starke Intertextualität. Gab oder gibt es bestimmte Bücher, die auch das Projekt JANUS beeinflusst haben?
RIG: Nicht im Speziellen. Aber im Allgemeinen war JANUS schon immer zahlreichen Einflüssen ausgesetzt. Intertextualität ist ein zentraler Bestandteil beim Verständnis der Lieder. Referenzen kamen aus Zeitschriften, Essays, Sachbüchern, Romanen, Lieder, Filmen und vielen anderen Quellen. Manche sind einfach zu entdecken, andere kaum zu dechiffrieren. Nicht umsonst heißt das Buchprojekt über die Texte von JANUS, an dem ich gerade zusammen mit Diana Busch arbeite, "Labyrinthe".
Gleichzeitig behandeln eure Songs schwere Themen. Ihr taucht mit den Songs in kranke Charaktere ("Rorschach") ein oder blickt von außen auf eine grausame Szenerie wie in "Paulas Spiel" oder "Kinderkreuzzug". Wie viel Recherche ist für solche Themen nötig?
RIG: Ich kann mich nicht erinnern, jemals für einen Liedtext eine explizite Recherche durchgeführt zu haben. Die Themen sind zwar oft schwer bekömmlich, aber ich versuche zunächst, mich ihnen nicht vom Kopf her, sondern gefühlsmäßig zu nähern. Erst, wenn das grobe Textgerüst steht, schalte ich meinen Verstand ein.
Was reizt Euch an solchen schweren Themen?
RIG: Die Frage ist für mich schwer zu beantworten, weil es keine bewusste Entscheidung für oder gegen etwas ist. Sobald ich einen JANUS Text schreibe, kommt etwas Beklemmendes heraus. Sobald ich neben Toby am Klavier sitze, spielt er Moll.
Toby: Genauer gesagt den Trauermarsch, und zwar sobald ich dich sehe. Spaß beiseite. Ich glaube, es ist einfach Geschmackssache. Ich zum Beispiel mag scharfes Essen einfach lieber als leichte Kost...
Wie schwierig ist es eigentlich, solche Themen auf Deutsch zu besingen? Immerhin läuft man ständig Gefahr, dass die Texte vielleicht banal oder klischeebeladen sind.
RIG: Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ein banaler Text wirkt auf Englisch nur dann tiefgründiger, wenn die Hörer des Englischen nicht wirklich mächtig sind. Und auf die fremdsprachlichen Defizite seiner Hörerschaft zu bauen, scheint mir ein fragwürdiges lyrisches Konzept zu sein.
Welche Rolle spielt die Psychologie bei euren Songs?
RIG: Naja, ich habe einmal Psychologie studiert, insofern ist es wohl zwecklos einen Zusammenhang zu leugnen.
Toby: Am besten ist es, erst gar nicht mir RIG zu reden, wenn man sich nicht unversehens in einem JANUS Stück wiederfinden will.
Kann man auch sagen, eure Songs sind die Psychogramme der Protagonisten?
RIG: Das kann man so sagen, wenn man will. Man muss es aber nicht.
Welches Buch hat euch persönlich am meisten geprägt/inspiriert/erschüttert?
Toby: Also, ich liebe es zwar, zu lesen, aber ein Lieblingsbuch habe ich nicht. Die Liste von Geschichten, die mich beeindruckt haben, ist ziemlich lang.
RIG: Das geht mir ähnlich. Wobei es früher einfacher war, mich literarisch zu erschüttern. Aber damals habe ich auch mehr Klassiker gelesen. Die sind einfach besser. Heute lese ich mehr Gegenwartsliteratur. Dinge, die auch im Bus oder an Strand funktionieren. Und die sind von einzelnen Ideen und Formulierungen einmal abgesehen, zumeist eher austauschbar. Da wird einfach zu viel posiert statt Stellung bezogen. Stil über Inhalt, langweilig. Ich sollte wirklich mal wieder etwas Richtiges lesen.
Auffällig bei euch ist auch der visuelle Aspekt. Jedes Album, vor allem "Nachtmahr" besticht durch ein opulentes Artwork. In Zeiten von iTunes und Downloads gerät dieser Aspekt leider immer mehr in den Hintergrund. Wie beurteilt ihr diese Situation?
RIG: Das ist der Fluch des digitalen Zeitalters. Im Falle zeitgenössischer Musik oft sogar eher Segen, da mehr als 2-
Würdet ihr wieder so ein prächtiges Artwork machen, wenn es zu einer neuen Veröffentlichung kommt?
Toby: Schwer vorstellbar, das nicht zu tun. Ich finde es nun einmal faszinierend, Musik, Grafik und Literatur zusammen zu bringen und eine thematische Landschaft mit verschiedenen Stilmitteln zusammenhängend zu beschreiben. Für mich ist das Teil der Vielschichtigkeit, die JANUS ausmacht.
RIG: Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer der Hinweis auf "Schlafende Hunde Deluxe", der beispielhaften Umsetzung vom eben Gesagten.
Danke für das Interview. Eine letzte Frage habe ich noch: Welcher Song ist der erste, der Euch aus der Kindheit noch in Erinnerung geblieben ist?
Toby: „Guten Abend, gute Nacht.“ Das singe ich heute noch gern. „Der Wald steht schwarz und schweiget…“
RIG: „God of Thunder“ von Kiss. Ich war sechs und überzeugt, ich hätte das Böse entdeckt. Es schmeckte nach Schokolade und Feuerwerk. „I was raised by the demons…“
|| INTERVIEW: DANIEL DRESSLER // DATUM: 23.06.2014 ||| DEINE MEINUNG? MAIL SCHREIBEN! || WEITER: INTERVIEW MIT KONTRAST >>
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