CLICKS "G.O.T.H." VS. CIRQUE D'ESS "BLACK SYNTHETIC AND DENSE": DAS NEUE SCHWARZ - Kopieren
Ganz schön mutig, was sich da Clicks bei "Every Bloated Muscle" erlauben. Fragen sie doch "Where is the youth" und wo "muscle and hate" hin sind. Da hat ja einer Mal ganz tüchtig seinen Nitzer Ebb studiert und ihn unverblümt zum Inhalt seines Songs werden lassen. Doch ist es weniger Chuzpe als eine kluge Verbeugung vor den Granden elektronischer Körpermusik. Ihre Songs zu covern, fällt per se flach. Jeder Versuch einer Neuinterpretation würde hier phänomenal scheitern. Sie aber zu zitieren und gleichzeitig die Antwort auf die Frage zu liefern, welche die Briten Jahrzehnte zuvor gestellt haben, ist klug.
Denn es steht fest: Die Jugend ist immer noch da, und "muscle and hate" sind als überzeichnete Tugenden nie wirklich tot zu kriegen. Clicks klingen aber natürlich nicht mehr so rudimentär und prototypisch. Das würde sie schließlich nur ins Epigonentum rücken. Bereits mit seinem 2016 erschienenen Debüt "Glitch Machine" entzog sich der Pole Kr-Lik, dem Clicks obliegt, einer eindeutigen Zugehörigkeit, mixte EBM mit knarzigem Electro eines Anthony Rother ineinander und lieferte damit eine Weiterdefinition elektronischer Klangerzeugung für die Schwarzkittelfraktion, die sich bei den ewig gleichen blubbernden Synthie-Bassläufe nicht mehr mitgenommen fühlt.
Ähnlich wie beispielsweise Rotersand oder auch Faderhead erweitert Clicks das Spektrum sägezahniger Sequenzen um dekadente Pop-Momente. Diese Rezeptur wird nun auch beim Nachfolger "G.O.T.H." angewedet. Kr-Lik geht dieses Mal in medias res: Er blickt auf eine alternde Szene, bei denen die ehemaligen Helden nicht mehr ihre Jugend verschwenden können, weil sie schlichtweg futsch ist.
Hier wird aber nicht die vergangene Zeit beweint, sondern ein neues Kapitel aufgeschlagen, die in Songs wie dem irrwitzigen "Mr. Nevergonnabe" die Experimentierfreude des Projekts offenlegt, und Kr-Lik bei "I Dream" oder "First World Problems" als klugen Texter mit dem bissigen Humor eines Fad Gadget präsentiert. Seine Stimme lässt er dabei wie in "Fever" hinter einer Wand aus Vocoder-Effekten unkenntlich machen oder bei "Themostimportantperson" klar und gleichzeitig rotzig daherkommen.
"G.O.T.H." ist ein wilder Ritt durch 13 durchschlagende Songs, die nicht eine Sekunde lang die Energie verlieren. Die Tracks klingt nach langen, durchtanzten Nächten, nach den nicht enden wollenden, illegalen Rave-Parties in stillgelegten Fabrikgebäuden. Großes Kino, nicht nur für "G.O.T.H."s, sondern jedem Verfechter elektronisch-treibender Tanzmusik.
Einen kleinen musikalischen Querverweis mag man auch bei "Black Synthetic And Dense" des italienischen Duos Cirque D'Ess heraushören. Denn die beiden "Hole-Frog" Stücke, die das Album umrahmen beginnen mit einer markanten Orgellinie, die einen zunächst an das fulminante "Love Never Dies" von Apoptygma Berzerk denken lässt. Ein wenig erinnern die schummrigen, extrem hallgefütterten Sounds dann auch an Apops Frühphase, als sie in den 1990ern mit "Soli Deo Gloria" und "7" zwei massive Klassiker-Alben produzierten, die das Hörverständnis elektronischer Musik inder schwarzen Szene extrem neu definieren sollte.
Wie man aber weiß, besitzt Italien ein besonders herausragendes Projekt, welches seit den 80ern das Aushängeschild für latent schlecht gelaunte Synthesizer-Musik ist: Kirlian Camera. Auch hier mag man bei "Black Synthetic And Dense" einige Ähnlichkeiten ausmachen. An Vergleichen soll das aber an dieser Stelle genügen, denn sie sind nur eine ungefähre Orientierungshilfe.
Am Ende haben Stücke wie "A Spooky Host" und "Farenine 514" dann doch so etwas wie eine "corporate identity", die sich vor allem in der exaltierten und zu gesanglichen Experimenten hingezogenen Stimme von Martina "Miriam" Buffalini und dem Willen zur größtmöglichen musikalischen Freiheit bei Musiker Valerio "Ryo" Girmenia zeigt.
Sie selbst nennen es übrigens "Ritual Wave". Kann man machen, denn selbst in den Stücken mit den stärksten Extremen (das schwebende-shoegazige "Road" auf der einen und die Krachcollage "Neighbourhood" auf der anderen Seite) besitzen eine Menge spirituelle Energie, die von den allegorisch-expressiven Lyrics weiter befeuert werden.
"Black Synthetic And Dense" dient dabei nicht nur als Albumtitel, sondern als programmatische Überschrift für einen Sound, der sich in seiner Intensität mit jedem weiteren Song nach oben schraubt. Die musikalische Offenheit, gepaart mit sehr ausdrucksstarken und unkonventionellen Gesangseinlagen, gedenken klassische Trübsinnsmusik ein, erweitern sie aber um ein paar neue Ideen.
Cirque D'Ess und Clicks bringen die Elektronik in der Schwarzen Szene wieder ein Stück nach vorne. Oder um mal wieder die adretten Kraftwerker zu zitieren: "Es wird immer weiter gehen. Musik als Träger von Ideen".
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 23.04.20 | KONTAKT | WEITER: IM GESPRÄCH - DEINE LAKAIEN>
Webseite:
clicks-poland.bandcamp.com
www.cirquedess.com
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COVER © Dependent/Soulfood (Clicks), Cold Transmission (Cirque D'Ess)
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