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Mit ihrem "Einheitsschritt" nahmen die Elektroniker von Kontrast die Schwarze Szene einst genüsslich aufs Korn. Und obwohl so ein weißgetünchter Batcave-
UNTER.TON sprach mit Sänger Roberto und seinen musikalischen Mit-
Könnt ihr noch den Einheitsschritt tanzen?
Um ehrlich zu sein, haben wir noch nie so richtig den Einheitsschritt getanzt. In Wahrheit geht man ja auch 3 Schritte vor und 4 zurück – und landet dann irgendwo ins Abseits oder an der Theke.
Wenn ihr in die Disco geht, gehört ihr dann eher zur Gruppe der Tanzwütigen oder beobachtet ihr das Treiben lieber aus sicherer Ferne?
Die Tanzwut hat in den letzten Jahren merklich nachgelassen; in unserem Alter muss sowieso jeder Schritt wohlüberlegt sein. Generell sind wir deutlich seltener in Clubs anzutreffen als noch vor 10 oder 15 Jahren.
Wisst ihr noch, zu welchem Song ihr erstmals in der Disco getanzt habt?
Dirk im Jahr 1986, zu "Spielverderber" von Inka. Bei Roberto war’s "Gonna Make You Sweat (Everybody Dance Now)" von C & C Music Factory. Das dürfte 1990 gewesen sein. Mann, ist das lange her!
Der "Einheitsschritt" hat Euch bekannt, aber auch ein bisschen zu einem One-
Nach wie vor haben wir dem Song viel zu verdanken – er ist und war Türöffner für viele schöne Begegnungen, Diskussionen und Konzerte in den vergangenen Jahren. Es gibt viele sehr gute Bands, die eben diesen einen Hit nie hatten und daher gar nicht beachtet werden. Textlich und musikalisch wird der "Einheitsschritt" immer aktuell bleiben. Und dass es letztlich bei diesem einen Hit geblieben ist, liegt vielleicht auch daran, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt kein Interesse daran hatten, den Hype um diesen Song auszuschlachten und beispielsweise ein ganzes Album um diese Thematik zu stricken. Der Entstehung des Textes lag übrigens eine wenig positive Stimmung zugrunde, die in einen gewissen Zynismus mündete. Das Stilmittel der Ironie scheint seine Wirkung nicht verfehlt zu haben...
Nun seid ihr mit einem neuen Album namens "Balance" am Start. Wieso habt ihr Euch für dieses Stück als Titelsong entschieden?
Zum einen, weil wir der Meinung sind, dass "Balance" sowohl textlich als auch musikalisch einer der stärksten Songs der neuen Scheibe ist. Zum anderen unterstreicht der Begriff sehr gut den Grundcharakter des Albums: Wir haben eine ausgewogene Mischung an Songs, es ist sowohl für die Tanzfläche als auch für Fans von nachdenklichen Tönen etwas dabei -
Wie liefen die Arbeiten zu "Balance" ab?
Die Produktion dieses Albums war insgesamt wesentlich entspannter als bei "Vision und Tradition", für das wir wahnsinnig viel experimentiert haben. Dadurch ist die Arbeit an den Songs ziemlich ausgeartet, weil wir innerhalb der Band unterschiedliche Vorstellungen vom Sound hatten. Das ging schon ziemlich an die Substanz! Damals haben wir bestimmt 30 Demos entworfen, die erst jetzt nach und nach bei den monatlichen Downloads auf unserer Facebook-
Im Titelstück beschreibt ihr das Leben eines Menschen, der keine eigenen Entscheidungen trifft, sondern sich alles vorschreiben lässt. Habt ihr manchmal auch das Gefühl, zu stark fremdbestimmt zu sein?
Der Song basiert in der Tat auf eine Situation, in die wahrscheinlich jeder irgendwann mal gelangt: Lebe ich wirklich mein Leben, mache ich das, was mir wirklich Spaß macht – oder kennt mich keiner wirklich, weil sich hinter einer nach außen gelebten Rolle ein ganz anderer Mensch verbirgt? Die richtige "Balance" zu finden, ist verdammt schwierig. Letztlich ist es wichtig, den Moment zu genießen, seine Träume zu erfüllen und nicht alles zu verschieben, weil es vielleicht gerade nicht in die Lebensplanung passt. Das Wort beschreibt dabei sehr gut die Spannungsfelder, in denen sich jeder Mensch Tag für Tag befindet. Es gilt ja, viele Erwartungen zu erfüllen – sei es in der Partnerschaft oder im Job. Da wird ein "vorgezeichneter" Weg, den man gerne einschlägt, nicht selten zu einem "vorgeschriebenen", den man sehr gerne wieder verlassen würde. Wahrscheinlich ist das Bewusstsein darüber schon ein sehr wichtiger Schritt, denn nur auf diese Art und Weise stellt man sich überhaupt die Frage, ob man wie bisher weiterleben, oder etwas verändern möchte.
Ohnehin scheint Euer neues Album wesentlich melancholischer und weniger sarkastisch zu sein. Seit ihr im "Alter" etwas reflektierter geworden?
Wenn ja, dann ist das eher unbewusst geschehen. Die Stimmung, in der wir die neuen Songs geschrieben haben, war wesentlich entspannter als sonst. Viele Texte sind erst während unserer gemeinsamen Aufenthalte an der Nordsee entstanden – meistens saßen wir zum Brainstorming zu viert am Tisch, ehe sich Roberto dann zurückgezogen hat, um die Ideen auf Papier zu bringen. Sicherlich haben wir in den letzten Jahren eine Menge erlebt, sind als Persönlichkeiten gefestigter geworden und beschäftigen uns nicht mehr so viel mit der Szene wie früher, sondern eher mit alltäglichen Lebenssituationen.
Bei "John Maynard" und "Nothing As It Seems" erinnert ihr soundtechnisch stark an Covenant. Zufall oder Absicht?
Sehr gut herausgehört!! Beide Tracks kann man in der Tat als eine kleine Reminiszenz an Covenant verstehen, die für uns nach wie vor für uns eine herausragende Stellung in der elektronischen Musik-
Meines Wissens nach ist "Nothing As It Seems" der erste Song, den ihr teilweise in englischer Sprache eingesungen habt. Was war der Grund dafür?
Der Text stammt ursprünglich aus der Feder unseres guten Freundes Christian, mit dem Dirk eine Zeit lang das Projekt Convenience betrieben hat. Neben deutschen Texten hat Christian auch englische Titel geschrieben. Da die Convenience-
Welche Situation beschreibt ihr in "Am Fenster"?
Dirk hatte beim Komponieren immer wieder das Bild von einem alten, einsamen Mann vor Augen, der auf seinem Balkon im zehnten Stock einer Plattenbau-
Inwieweit stand der gleichnamige Track von City Pate?
Eigentlich überhaupt nicht; das ist purer Zufall. Das ursprüngliche Demo hatte diverse Namen, aber am Ende war uns allen klar, dass "Am Fenster" der treffendste Titel für die Thematik ist. Natürlich stört uns diese Parallele nicht – und so haben wir die Version von "Am Fenster", die letztes Jahr auf unserer USB-
Besonders "Karussell" hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ein sehr melancholischer Song, der das Ende eines Karussellbetreibers beschreibt...
In der Kindheit gibt es eine Menge beeindruckender Sachen. Man sieht die Welt einerseits mit sehr offenen Augen, andererseits aber auch auf eine sehr naive Art und Weise. Hinzu kommt, dass es über die Jahre immer wieder Neuerungen gibt, die alte Errungenschaften in den Schatten stellen. Vor über 30 Jahren war das kleine Karussell, um das es in diesem Titel geht, noch etwas Besonderes -
Welche Rolle spielen die Themen Verlust und Abschied mittlerweile in Eurem Leben?
Ich denke, es ist die Konsequenz der Zeit, dass diese Aspekte des Lebens immer mehr in den Fokus treten. Ob man will oder nicht, man muss sich damit auseinandersetzen. Das spiegelt sich natürlich auch in der Musik von Kontrast wider. Es würde uns ja auch keiner mehr abnehmen, wenn wir noch immer über unsere erste Liebe und den damit verbundenen Herzschmerz singen würden.
Ungemein aktuell aus politischer Sicht ist dagegen der an Kraftwerk angelehnte Song "Europareise". Klingt fast so, als hättet ihr diesen Song während Eurer Tournee-
Roberto hat den Text tatsächlich kurz nach einer Urlaubsreise geschrieben, die ihn in seinem Auto durch halb Europa geführt hat: Freiburg, Zürich, Linz, Wien, Budapest, Bratislava, Prag... Musikalisch gesehen ist "Europareise" natürlich eine Verneigung vor den Herren aus Düsseldorf. Wir wollten schon immer mal ein Stück in der Tradition von "Autobahn" oder "Europa endlos" machen. Unser Song ist übrigens mit den Original-
Euer Europa ist sehr romantisch gehalten. Die diesjährige Wahl für das Brüsseler Parlament zeigt jedoch ein etwas anderes Bild. Wie seht ihr die Entwicklung auf unserem Kontinent?
Die phänomenale Wahlbeteiligung in allen Ländern hat gezeigt, dass so etwas wie eine gemeinsame europäische Idee eigentlich nur auf dem Papier und nicht in den Köpfen der einfachen Bürger existiert -
Das neue Album ist fertig, allein, ihr habt noch kein Label. Wie sieht es denn da aus? Schon Angebote bekommen?
An dieser Front sieht es leider recht finster aus. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass die Musikindustrie generell ziemlich am Boden liegt. Da wir gewisse Vorstellungen haben, in welcher Form unser neues Album zu erscheinen hat, geht es letztlich darum, wer das Risiko dieser Investition übernimmt. Wenn sich kein Partner findet, werden wir dies eben selber tun – nur wird sich der gesamte Prozess dadurch natürlich weiter verzögern, denn wir sind ja eine Band und eben keine Fotografen, Lithographen, Grafiker und so weiter. Was wir allerdings nicht nachvollziehen können, ist, dass wir von vielen Plattenfirmen, die wir angeschrieben hatten, noch nicht einmal eine Absage bekommen haben. Man kann doch wenigstens eine Mail schicken, dass man unser Material für nicht gut genug hält oder dass man glaubt, es werde sich nicht verkaufen. Sich gar nicht zu melden heißt aber wohl, dass sich nicht einmal jemand die Mühe gemacht hat, in die Songs hineinzuhören – und das ist ziemlich fahrlässig. Gerade in der angespannten wirtschaftlichen Situation sollte eigentlich jedes Label großes Interesse daran haben, ansprechende Künstler zu entdecken, bevor die Konkurrenz es tut.
Und woran liegt's?
Eine gute Frage, die wir uns nicht selten ebenfalls stellen. Prinzipiell hat sich der Geschmack der Szene im Laufe der Zeit schon verändert und somit auch die Bands: Es geht viel weniger um ein eigenständiges Klangbild als darum, "zu klingen wie ...". Und natürlich um knallige Selbstinszenierung. Die wenigen noch existierenden Independent-
Was klingt anders an Kontrast?
Für uns standen immer der Song und die Geschichte, die er erzählt, im Vordergrund. Danach richten sich dann auch die Sounds, die wir einsetzen. Aus diesem Grund kann man ein Kontrast-
Immerhin existiert ihr nun schon 15 Jahre, rechnet man ISECS dazu. Welche erste Bilanz zieht ihr?
Im Grunde genommen haben wir schon unser 20jähriges Bestehen gefeiert, denn die ersten Demo-
Wie hat sich euer Leben in den letzten Jahren verändert? Ihr geht normalen Jobs nach, seid teilweise Familienväter. Welchen Stellenwert hat da die Musik?
Das ist eine sehr gute Frage. Wenn man abends von der Arbeit nach Hause kommt und Frau und Kinder warten, dann ist es natürlich deutlich schwieriger, Freiräume für die Musik zu schaffen, geschweige denn überhaupt noch kreativ zu sein. Dirk versucht beispielsweise, die Instrumente anzuschmeißen, wann immer es geht. Das ist ja auch eine wunderbare Form der Ablenkung und Entspannung. Umso wichtiger sind unsere jährlichen Nordsee-
Haben Euch im „normalen“ Arbeitsalltag schon mal Leute auf Kontrast angesprochen?
Klar! Viele können gar nicht nachvollziehen, dass wir überhaupt noch arbeiten müssen, wo es unsere CDs doch sogar bei Amazon zu kaufen gibt. Irgendwie verbinden viele den Status eines Musikers mit Sex & Drugs & Rock 'n' Roll. Diese Illusion aufrecht zu erhalten, ist schon verdammt schwierig...
|| TEXT: DANIEL DRESSLER // DATUM: 19.06.2014 ||| DEINE MEINUNG? MAIL SCHREIBEN! || WEITER: INTERVIEW MIT JANUS >>
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