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Christian Purwien strahlt Selbstbewusstsein aus. Aber nicht die Art von selbstgefälliger Hybris, sondern ein geregeltes Maß an Stolz über sein Schaffen. Denn dass selbst jetzt, über 15 Jahre nach dem Ende von Second Decay, ihn Menschen darauf ansprechen, belegt deutlich, dass er einiges richtig gemacht hat. Dennoch bleibt der Mann mit der charismatisch-
Christian: Gute Frage. Naja, als wir 1987 begonnen haben, waren wir schon zeitgemäß, wenn auch nicht unbedingt modern. Irgendwie hat sich dann der Sound um uns herum immer mehr von Second Decay entfernt. Ab einem gewissen Punkt haben wir dann auch gar nicht mehr versucht, uns zu ändern.
Mit Euren Sounds aus den analogen Synthesizern wart ihr in den 90ern ja tatsächlich wie aus der Zeit gefallen, da gerade in diesem Jahrzehnt die digitale Musikbearbeitung große Sprünge tat. War das eine bewusste Entscheidung gegen die neue Technik oder mehr die Lust an den alten Sounds?
Man darf eines nicht vergessen: Die 90er Jahre waren musikalisch wirklich das absolut schlimmste, was es jemals gegeben hat. Ich hatte während dieser ganzen Zeit immer den Eindruck, dass die ganze Welt unter einer Art kollektiven Geschmacksverirrung leidet. Wie sonst wäre es zu erklären, dass Bands wie Captain Jack oder Snap und viele andere schlimme Sachen Dauergäste in den Charts waren? Bei uns herrschte auf jeden Fall Einigkeit darüber, dass wir bei diesem Sound nicht mitmachen wollten.
Dafür habt ihr andere Vorbilder, vor allem das Album "Metamatic" von John Foxx...
Andy war immer der größere John Foxx Fan von uns beiden. Ich liebe dieses Album auch, bin aber eher von Sachen wie David Sylvian (Japan), Stephan Eicher (Grauzone) oder Marc Almond beeinflusst. Wobei ich natürlich auch meine musikalischen Wurzeln ganz klar in den 80ern sehe und hier hunderte Bands aufzählen könnte, die mich stark beeindruckt und vielleicht auch geprägt haben.
Mittlerweile ist der synthetische Minimal-
Ja! Das macht auch wirklich Sinn. Man möchte sich gar nicht vorstellen, was uns bevorstünde, wenn irgendeiner mal auf die Idee kommt, die 90er wieder aufleben zu lassen. Ich glaube, dann wandere ich auf eine einsame Insel aus. Das stehe ich kein zweites Mal durch (lacht). Insofern kann ich Deine Frage mit einem klaren und deutlichen 'ja' beantworten – und hinzufügen: bitte weitermachen!
Rund 15 Jahre war Second Decay mit ihren charmanten Analog-
Charmant ist ein Begriff, den ich in diesem Zusammenhang auch noch nicht hörte, mir aber durchaus gefällt. Diese Zeit ist (leider) wie im Flug an mir vorbeigezogen. Ich habe es eher so erlebt, dass man sich ständig nach vorn und zum nächsten Termin orientierte. Wir kamen gar nicht auf die Idee, mal stehen zu bleiben und zu erkennen, dass gerade jetzt ein sehr schöner Moment ist und etwas wunderbares passiert. Stattdessen habe ich, so glaube ich heute, immer gedacht: 'Das geht noch besser' , oder: 'Da kommt noch mehr'. Schade eigentlich. Aber dennoch habe ich so viele lustige, aufregende, skurrile Erlebnisse aus dieser Zeit im Kopf, die mir heute ein breites Lächeln ins Gesicht treiben. Ich bin wild entschlossen hierzu demnächst ein Buch zu schreiben und all die kleinen Geschichten mal zu erzählen.
Was war denn der schönste oder auch kurioseste Moment in Deiner Karriere?
Da gab es sehr viele. Aber einer war sicherlich unsere Konzertreise nach Brasilien 1995. Oder war es 1996? Jedenfalls waren es vier Wochen voller seltsamer Ereignisse und fremder Menschen, die irgendwie alle unsere Lieder kannten.
Nach der EP "Kaltes weißes Licht" von 2001 kam auf einmal das Aus. Was waren die Gründe?
Tja, das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr so genau. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir zum Thema Second Decay bereits alles gesagt hatten. Es fiel uns so unglaublich schwer, neue Lieder zu schreiben. Dann holten wir uns Hilfe bei Nils Ruzicka und produzierten diesen Song mit ihm. Danach waren wir aber unglücklich, dass er so modern klang. Als wir uns kurze Zeit später zusammen setzten, um ein neues Album zu machen, lief nichts zusammen. Alles dauerte ewig und machte keinen Spaß mehr. Wir sind dann ja noch nach Mexiko und ein paar mal in Schweden gewesen, um live zu spielen. Aber für mich wurde immer klarer, dass ich mal was anderes machen möchte.
Schließlich hast Du unter Deinem bürgerlichen Namen Purwien eine Platte herausgebracht: "Eins". Ein Song darauf, "Alle Fehler" (zusammen mit Joachim Witt), war sogar ein kleiner Clubhit. Seitdem warten Fans auf "Zwei". Wird da noch mal etwas kommen?
Clubhit? Tatsächlich? Das hat mir keiner gesagt (lacht). Ist auch schon wieder zehn Jahre her. Ein Wahnsinn! Aber ja, es wird noch was kommen. Wir, das heißt Thomas Kowa und ich, arbeiten seit über zwei Jahren an neuem Material. Das Album ist schon länger fertig, aber wir waren so wahnsinnig und haben auch gleich noch einen Roman geschrieben – "Pommespornopopstar". Diese beiden Sachen werden noch in 2017 gemeinsam erscheinen. Das Problem war, alles zu koordinieren und nicht nur ein Label für die CD zu finden, sondern auch noch einen Verlag für den Roman. Das haben wir nun tatsächlich geschafft. Das neue Werk knüpft soundmäßig durchaus an "Eins" an, und der Roman steht im direkten Zusammenhang mit der CD. Das heißt, die Songs dem Album finden sich auch im Buch wieder. Die Geschichte handelt unter anderem von der Entstehung dieser Platte. Wobei es sich hier nicht um eine langweilige Musikergeschichte, sondern um hochkarätige Unterhaltung handelt -
Sprechen Dich Menschen eigentlich noch auf Second Decay an?
Ständig! Das ist kein Witz. Es scheint auch tatsächlich so zu sein, dass unsere Lieder in vielen Clubs der Republik immer noch laufen. Es gibt ja mittlerweile sogar Coverversionen einiger Lieder von uns, was ich übrigens sehr cool finde.
Hast Du noch Kontakt zu Andreas?
Nein, überhaupt nicht.
Hängst Du dieser Zeit manchmal, in einem schwachen Moment vielleicht, noch nach?
Nein, eigentlich nicht. Es war sehr lustig, aber auch sehr anstrengend. Wir haben ja in der ganzen Zeit ziemlich wenig Glück mit Auswahl unserer Geschäftspartner gehabt und blickten etwas neidisch auf Bandkollegen, bei denen alles etwas glatter lief, weil sie professioneller aufgestellt waren als wir. Wer weiß, was aus uns hätte werden können, mit vernünftigem Label und so weiter.
Das bedeutet also, du würdest einiges anders machen, wenn du die Zeit zurückdrehen könntest?
Mit Sicherheit. So vermessen das klingen mag, aber ich glaube, wir hätten durchaus mehr mit unserer Musik erreichen können. Uns fehlte einfach der nötige Support und etwas mehr Professionalität. An den Songs lag es nicht. Die hätten durchaus noch viel mehr Leute gut finden können, wenn sie sie kennen gelernt hätten.
Vielen Dank für das Interview. Some famous last words?
Alle Fehler sind gemacht, warum sie wiederholen?
Website
www.purwien.tv
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